Projektbereich B: Vorhersagen für Hochenergiereaktionen

Das Ziel an Teilchenbeschleunigern neue Physik zu entdecken und unverstandene Strukturen zu klären, setzt das präzise Verständnis der Messergebnisse im Kontext der aktuellen Theorie, hier des elektroschwachen SM und der QCD voraus. Nicht weniger interessant ist die genaue Bestimmung der Eigenschaften von schweren Teilchen wie der Eichbosonen W und Z , des noch zu entdeckenden Higgs--Bosons und des Top--Quarks (siehe C). Ein Weg Neuland zu betreten führt zu immer höheren Energien bei größtmöglicher Luminosität, was für die Theorie zunehmend höhere Anforderungen bedeutet: präzisere Input--Parameter, höhere Ordnungen in der Störungstheorie und kompliziertere Endzustände. Typischerweise werden selbst bei rein elektroschwachen Prozessen auch hadronische Effekte und Strukturen zunehmend wichtiger. So wird insbesondere eine präzise Bestimmung der starken Wechselwirkungskonstanten alpha_s eine entscheidende Voraussetzung für Präzisionsvorhersagen. Es treten aber auch grundsätzliche Fragen der Behandlung von instabilen Teilchen auf, welche bisher nur unzureichend gelöst werden konnten. Die Aufgaben gliedern sich in natürlicher Weise wie folgt:

B1 Präzisionsberechnungen zur Produktion massiver Teilchen
B2 Berechnung der QCD Kopplungskonstanten auf dem Gitter
B3 Partonverteilungsfunktionen auf dem Gitter und im Kontinuum
B4 Produktion instabiler Teilchen

Projekt B1 befasst sich mit der präzisen und effizienten Berechnung von e+ e- -Vernichtungsprozessen in die wichtigsten Endzustände im Energiebereich zwischen 100 GeV bis zu 1 TeV. Zunächst soll der Bhabha--Streuprozess e+ e- -> e+ e- , der zur Normierung aller übrigen Prozesse dient, auf dem 2-Loop-Niveau berechnet werden; zuerst die QED--Korrekturen mit den wichtigsten Masseneffekten, dann die elektroschwachen Korrekturen in Klassen gemäß ihrer Wichtigkeit. Schwieriger werden vollständige 1-Loop-Rechnungen für die dominierenden 4-Fermion-Endzustände, welche unter anderem als Zerfallsprodukte der instabilen schweren Teilchen auftreten. Hier müssen entweder bekannte Methoden wesentlich verbessert oder alternative Methoden entwickelt werden. Für die Präzisionsphysik an der Z-Resonanz, welche besondere Sensitivität auf noch unbekannte schwere Teilchen verspricht, sollen später auch vollständige 2-Loop-Rechnungen zur Fermion-Paar-Produktion durchgeführt werden.

Im Projekt B2 werden durch notwendigerweise nichtperturbative Rechnung wesentliche Parameter, um die es auch in den anderen Teilprojekten dieses Projektbereichs geht, mit Niederenergieparametern der QCD in Verbindung gebracht. Im Einzelnen geht es darum, alpha_s und Quarkmassen aus Hadronmassen oder der Pion-Zerfallskonstante zu berechnen. Das Problem, zwei physikalische Skalen neben den bei numerischer Simulation unvermeidlichen Cutoff-Skalen zu handhaben, wird rekursiv unter intermediärer Verwendung eines Renormierungsschemas im endlichen Volumen gelöst, wie es von der ALPHA--Kollaboration in den letzten Jahren entwickelt wurde.

Im Projekt B3 soll durch eine Kombination von Störungstheorie, Phänomenologie und Gitterrechnungen eine ab-initio-Rechnung in der tief-inelastischen Streuung für die Spin- und Impulsstruktur der Hadronen vorgenommen werden. Ziele sind ein direkter Vergleich von Momenten der Partonverteilungsfunktionen mit dem Experiment sowie eine Überprüfung der anomalen Dimensionen in der Störungstheorie und in nicht-perturbativen Simulationen, um den Gültigkeitsbereich der Störungstheorie bestimmen zu können. Es sollen eine Vielzahl von Operatoren im nicht-Singlett- und Singlett-Fall berechnet werden, wobei versucht werden soll, auch das schwierige Problem von Twist-4-Operatoren anzugehen. Das genauere Verständnis der Hadronstruktur im tief-inelastischen Bereich verspricht insbesondere eine wesentlich genauere experimentelle Bestimmung von alpha_s.

Das Projekt B4 befasst sich mit der für die Produktion von massiven Teilchen an Collidern grundlegenden Frage nach einer konsistenten Behandlung der Zerfallsbreite des Teilchens in der Störungstheorie. Dazu wird ein Algorithmus basierend auf Methoden der effektiven Feldtheorie entwickelt, mit dem der Produktions- und Zerfallsprozess in Potenzen von Gamma/M berechnet werden kann. Mit Hilfe dieses Algorithmus wird die resonante Produktion von Higgs- und Z-Bosonen, sowie die Paarproduktion von W-Bosonen und Top-Quarks untersucht.


Letzte Änderung: 23.05.2005