Teilprojekt B1: Präzisionsberechnungen zur Produktion massiver Teilchen

Leitung:
Dr. Tord Riemann (federführend), Dr. Johannes Blümlein und Dr. Sven Moch
Mitarbeiter (SFB/TR): Dr. Bas Tausk
Mitarbeiter: Dr. Kouhei Hasegawa, Dr. Theodoros Diakonidis

Der Hadron-Beschleuniger LHC am CERN wird den Messbetrieb in 2007/2008 aufnehmen. Er wird die Suche nach dem Higgs-Boson des Standardmodells der Elementarteilchen, nach Supersymmetrie, aber auch nach anderen bisher unbekannten Phänomenen jenseits des Standardmodells ermöglichen. Das wird eine einzigartige Periode der Grundlagenforschung sein, und wir hoffen, dass der LHC eine reiche Quelle von Entdeckungen wird.
Eines der erfolgversprechendsten Projekte der Elementarteilchenphysik ist der International Linear e+ e- Collider ILC mit 500 bis 1000 GeV Schwerpunktsenergie. Hier hoffen wir, detailreich und präzise die Phänomene zu untersuchen, die hoffentlich vorher am LHC entdeckt werden. Aber auch weitere Entdeckungen sind sehr wohl im Bereich unserer Erwartungen.

Diese Physik an der Tera-Skala erfordert von der Theorie die Entwicklung neuer Techniken und Tools für die Berechnung hochpräziser Ereignisraten im Standardmodell und supersymmetrischen (oder anderen) Erweiterungen. Die höhere Energie führt zu größeren Quantenkorrekturen und mehr Teilchen im Endzustand, "more legs". Die höhere Strahlintensität führt zu größerer Präzision und daher zur Notwendigkeit von Schleifenkorrekturen in höheren Ordnungen der Störungstheorie, "more loops". Daraus resultiert ein Sprung in der Komplexität der erforderlichen störungstheoretischen Rechnungen. Waren bisher typischerweise einige 100 Feynman-Diagramme zu berechnen, sind es nun bis zu mehreren 10000. Gleichermaßen wichtig ist auch die Zunahme der verschiedenen Skalen, von denen die Teilchenreaktionen an der Tera-Skala abhängen. Deren Zahl nimmt zu, wenn die Produktion massiver Teilchen studiert wird. Eine unmittelbare Folge ist die Zunahme der Komplexität der mathematischen Strukturen, mit deren Verwendung die Berechnungen effektiv ausgeführt werden können.

Der Schwerpunkt des Projektes liegt auf Präzisionsvorhersagen für Topquark-, Eichboson- und Higgsboson-Produktion unter Berücksichtigung sowohl von störungstheoretischen Quantenkorrekturen höherer Ordnungen sowie von sogenannten Hintergrundsprozessen (in gleicher Ordnung der Störungstheorie). Die Korrekturen haben die selbe experimentelle Signatur wie die Signalreaktionen, jedoch andere virtuelle Zwischenzustände. Für dem ILC wird auch die höchstpräzise Berechnung der Bhabha-Streuung benötigt. Sie dient zur absoluten Normierung anderer Streuquerschnitte. Die genannten Präzisionsrechnungen werden für die detallierte Untersuchung des Higgsboson-Profils benötigt (Masse, Lebensdauer, Zerfallsverzweigungsverhältnisse [Yukawa-Kopplungen]), ebenso wie für die genaue Bestimmung der Eigenschaften der Eichbosonen, schweren Quarks, oder eventuell auch von Susy-Teilchen (Massen, Partialbreiten, Kopplungen). Bei all den Vorhersagen sind die Einflüsse der Teilchenmassen erheblich. Sie sind hier wichtiger als bei früheren Beschleunigern wie LEP oder HERA, wo die Teilchen im Endzustand oft als leicht oder masselos betrachtet werden konnten. Insgesamt besteht das Ziel in der Erhöhung der Genauigkeit der Störungsrechnungen um etwa einen Faktor 5 bis 13. Das Projekt soll nicht nur zur Entwicklung von numerisch stabilen Vorhersagen für Wirkungsquerschnitte an der Tera-Skala führen, sondern auch neue Algorithmen und analytische oder semi-analytische Formalismen bereitstellen.


Letzte Änderung: 16.08.2007