Teilprojekt A1: Multiloop-Rechnungen, Computeralgebra und phänomenologische Anwendungen

Projektleiter:
Prof. Dr. Johann Kühn, Institut für Theoretische Teilchenphysik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Ziel dieses Teilprojekts ist die Entwicklung von Konzepten und von ComputeralgebraProgrammen zur Berechnung von Multiloop-Amplituden, und die Anwendung dieser Resultate auf aktuelle phänomenologische Fragestellungen. Im Vordergrund stehen hierbei Rechnungen zur Quantenchromodynamik, die Methoden können aber auch im Zusammenhang mit der elektroschwachen Wechselwirkung und mit supersymmetrischen Theorien verwendet werden.

Neben den offensichtlichen Anwendungen der in den letzten Jahren in Karlsruhe entwickelten Techniken wird hierbei insbesondere die Berechnung des endlichen Anteils von masselosen Vierschleifen-Propagatordiagrammen durchgeführt. Eine --- vielleicht die wichtigste --- Anwendung dieses Resultates ist die Bestimmung von αs, also einer der drei fundamentalen Kopplungskonstanten, mit um einen Faktor zwei bis fünf erhöhter Genauigkeit aus dem totalen Wirkungsquerschnitt der Elektron-Positron-Vernichtung in Hadronen in der Ordnung αs4. Darüber hinaus eröffnet sich eine Vielzahl von Anwendungen auf andere Prozesse, beispielsweise auf die Zerfallsrate des Tau-Leptons oder auf tief-inelastische Streuung. Entsprechende Resultate für den skalaren Korrelator, der beispielsweise den Higgszerfall in b-Quarks beschreibt, liegen bereits vor.

Die bereits in der ersten Förderperiode entwickelten Verfahren zur Berechnung von Vier-Schleifen-Vakuumintegralen sollen weiter ausgearbeitet und auf weitere phänomenologische Anwendungen ausgedehnt werden.

Daneben werden eine Reihe von phänomenologischen Anwendungen der bisher entwickelten Programmpakete durchgeführt. Beispielsweise Rechnungen zum Übergang b → s γ, zum Tauzerfall oder die Übertragung von Resultaten von der QCD auf die elektroschwache Wechselwirkung.

Vierfermion-Prozesse werden allgemein als die fundamentalen Normierungsreaktionen an HochenergieBeschleunigern betrachtet. "Sudakov-Logarithmen" treten auf, wenn die Abstrahlung von Eichbosonen im Anfangs- und Endzustand unterdrückt wird und die Energie sehr viel höher als die Massen der Eichbosonen MW bzw. MZ ist. Neben den dominanten Termen liefern jedoch auch die logarithmisch unterdrückten Anteile wichtige Beiträge. Unter formalen Gesichtspunkten kann der Sudakov-Limes von Steuamplituden mit den Methoden der asymptotischenr Entwicklung untersucht werden. Die für Vier-Fermion-Prozesse bereits vorhandenen Methoden zur Berechnung der führenden Logarithmen bis zur N³LL-Näherung soll nunmehr auf die Eichbosonenerzeugung übertragen und auf die Berechnung hochenergetischer Reaktionen am LHC und TESLA-Collider angewendet werden.

Die fortgeschrittenen Techniken zur algebraischen Vereinfachung und Berechnung vorgegebener Feynman-Integrale beruhen auf Rekursionsalgorithmen, die aus den "Integration-by-Parts" Identitäten gewonnen werden. Bei den Zwischenrechnungen ergibt sich dabei ein signifikanter Anstieg in der Zahl der Terme. Häufig wird darüberhinaus eine Entwicklung nach einem kleinen Parameter durchgeführt, wodurch sich das Problem zwar strukturell vereinfacht, aber der Umfang der Ausdrücke weiter anwächst. Die Verwendung computeralgebraischer Methoden ist daher unverzichtbar. Darüberhinaus muß offensichtlich auch die Erzeugung von Tausenden von Diagrammen und des dazugehörigen Programm-Codes mittels computeralgebraischer Techniken durchgeführt werden. Ziel des Teilprojektes ist es, auf die verschiedensten Anwendungen zugeschnittene Programmpakete zu entwickeln und für physikalische Fragestellung einzusetzen. Beispiele hierfür sind das Programm BAICER zur Berechnung masseloser Propagator-Integrale und das Programm STURMAN zur Berechnung von Vakuum-Integralen.





Letzte Änderung: 10.06.2010